Eupalinos oder das verworfene Objekt — Sublimierung als Kipppunkt zwischen Einfall und Zufall mit Gilles Deleuze und Paul Valéry
Workshop Zufall und Einfall — Medien der Kreativität in Kunst und Wissenschaft an der Privatuniversität Linz
9.-11. November 2023
Abstract
Im Folgenden soll mithilfe von Gilles Deleuzes Theorie der divergierenden Serien, die er in Logik des Sinns entwickelt, eine Re-Lektüre des Textes Eupalinos oder der Architekt von Paul Valéry vorgeschlagen werden. An diesem Beispiel würde ich gerne diskutieren, ob der Zufall als Einfall eines paradoxen Elements in eine bestehende Struktur, diese nicht einfach nur erweitert oder heimsucht, sondern für die Struktur selbst konstitutiv und somit sinnstiftend ist. Wenn der Zufall und das Paradox jedoch Sinn — und zwar als produzierten — bedingen, so die Überlegung, haben Kunst und Wissenschaft mehr gemeinsam, als die übliche oppositionelle Gegenüberstellung vermuten lässt. Besonders deutlich wird dies bei Deleuze in der 10. Serie der Paradoxa, der Serie vom idealen Spiel. Das ideale Spiel, das den Zufall nicht nur an bestimmten Punkten zulässt, wie herkömmliche Spiele, wird hier zur Wirklichkeit des reinen Denkens erklärt: “es ist ein dem Denken und der Kunst vorbehaltenes Spiel, indem es nur noch zu Siegen für diejenigen kommt, die zu spielen, das heißt den Zufall zu bejahen und zu verzweigen wußten, anstatt ihn zu teilen, um ihn zu beherrschen.” Eupalinos oder der Architekt, so meine Überlegung, liefert uns ein Beispiel dafür, wie das ideale Spiel als Bejahung des Zufalls in Kunst und Wissenschaft gedacht werden können. Dabei greife ich auf die psychoanalytische Unterscheidung zwischen Verdrängung und Verwerfung zurück, um die Sublimierung als Kipppunkt zwischen Zufall und Einfall zu skizzieren.